Präventionsverfahren schlägt tarifvertragliche ärztliche Untersuchung nicht
Zeigen sich bei einem schwerbehinderter Arbeitnehmer Probleme mit der Leistung, ist nach § 167 Abs. 1 SGB IX ein Präventionsverfahren durchzuführen. Um zu klären, ob aufgrund der Behinderung eine verminderte Leistungsfähigkeit gegeben ist, kann ein Tarifvertrag auch eine ärztliche Untersuchung vorsehen. In einem solchen Fall gilt: Präventionsverfahren schlägt ärztliche Untersuchung nicht.
Der Fall:
Hier ging es um einen 50jährigen Schwerbehinderten, der bei einer Krankenkasse angestellt war. Dort hat er Rechnungen bearbeitet. Seine Leistung lag bei 10 bis 20 Prozent des Durchschnitts. Der Vorgesetzte suchte zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen. Leider verbesserte sich seine Leistung nicht. Deswegen forderte er ihn auf, sich durchchecken zu lassen. Die Möglichkeit eine ärztliche Untersuchung anzuordnen ergab sich unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Tarifvertrag. Dass die Voraussetzungen gegeben waren war klar und nichts worüber (noch) gestritten worden wäre.
Das Problem aber war, dass der Arbeitnehmer meinte da nicht hingehen zu müssen, denn Präventionsverfahren schlägt tarifvertragliche ärztliche Untersuchung. So ließ er den ersten Termin verstreichen und kassierte eine Abmahnung. Dann ließ er den zweiten Termin verstreichen und es kam die zweite Abmahnung. Nach dem dritten mal beantragte der Arbeitgeber beim Integrationsamt die Genehmigung zur außerordentlichen Kündigung.
Nach ein wenig Hin- und Her kam die Genehmigung denn auch und das Arbeitsverhältnis wurde gekündigt. Jetzt wurde der Arbeitnehmer aktiv und klagte .
Das Urteil:
Zunächst sagte das Arbeitsgericht dem Kläger, dass die Kündigung in Ordnung gewesen sei. Danach lachte zunächst der Arbeitnehmer, weil das Landesarbeitsgericht danders entschied. Die Anordnung zur ärztlichen Untersuchung hätte nicht ergehen dürfen. Diese Frage entschied am Ende das Bundesarbeitsgericht, das die Sache unter dem Aktenzeichen 2 AZR 382/17 bearbeite.
Das BAG bestätigte das LAG. Das Präventionsverfahren schlägt tarifvertragliche ärztliche Untersuchung nicht. Es hat keinen Vorrang vor einem tarifvertraglichen Recht des Arbeitgebers hat eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit anzuordnen. Die beiden Verfahren stehen gleichwertig nebeneinander, so dass der Arbeitgeber ein Wahlrecht hat. Dies sei schon deshalb geboten, weil die Frage der Arbeitsfähigkeit im Präventionsverfahren gar nicht geklärt werden kann.
Der Arbeitnehmer hätte also die ärztliche Untersuchung durchführen lassen müssen.
Endgültig verloren ist die Sache für den Kläger aber nicht. Das BAG hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dabei hat es dem LAG auf mit den Weg gegeben, dass die außerordentliche Kündigung trotz des fehlerhaften Verhaltens des Klägers mit Blick auf das fehlende Präventionsverfahren ja unverhältnismäßig gewesen sein könnte.