OLG Koblenz: Aufklärungspflicht bei seltenem aber folgenschweren Risiko bei OP
Arzt muss vor OP über seltenes, aber folgenschweres Risiko umfassend aufklären
Bloßer kurzer Hinweis im schriftlichen Aufklärungsbogen kann unzureichend sein
Ein Arzt muss seinen Patienten vor einer Operation umfassend und sachgemäß über ein seltenes, den Patienten aber erheblich beeinträchtigendes Risiko des Eingriffs aufklären. Besteht etwa bei einer zahnärztlichen Versorgung mit Implantaten die seltene, aber gravierende Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung, ist der Patient über Inhalt und Tragweite dieser möglichen Folge hinreichend zu informieren. In einem Zivilprozess muss der Arzt beweisen, dass er den Patienten nach diesen Vorgaben korrekt aufgeklärt hat. Der bloße Hinweis „Nervschädigung“ in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist dabei ohne weitere Erläuterungen im Aufklärungsgespräch unzureichend. Er verdeutlicht nicht genügend, dass ein nicht mehr zu behebender Dauerschaden eintreten kann. Dies hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz entschieden (Beschlüsse vom 6. Juli und 22. August 2012; Az.: 5 U 496/12), der damit das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts Trier vom 28. März 2012 bestätigt hat.
Der beklagte Zahnarzt setzte der Klägerin im Jahre 2008 zwei Implantate ein. Infolge des Eingriffs leidet die Klägerin unter einer dauerhaften Nervschädigung. Sensibilitätsstörungen und Schmerzen insbesondere beim Kauen beeinträchtigen sie täglich. Die Klägerin hat dem beklagten Arzt u.a. vorgeworfen, sie über die Behandlungsrisiken und Behandlungsalternativen nicht hinreichend aufgeklärt zu haben. Das Landgericht hatte der Klägerin u.a. ein Schmerzensgeld von 7.000,- € zugesprochen.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Arztes hatte nun vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Der Senat bestätigte, der Beklagte habe nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, die Klägerin über alle Risiken umfassend und sachgemäß aufgeklärt zu haben. Die Ärztin, die das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin führte, habe sich an den konkreten Inhalt des Gesprächs nicht mehr erinnern können.
Und auch durch das schriftliche Formular sei keine hinreichende Aufklärung der Klägerin erfolgt. Zwar stand im schriftlichen Aufklärungsbogen, die Behandlung berge das Risiko der „Nervschädigung“. Daraus – so der Senat – erschließe sich dem Patienten aber nicht, dass die Nervschädigung zu einem dauerhaft verbleibenden Schaden mit nicht mehr zu beseitigenden Sensibilitätsstörungen führen könne. Auch wenn ein solcher Dauerschaden ein seltenes Risiko sei, müsse der Arzt umfassend über die Folgen aufklären, weil die Komplikation die weitere Lebensführung der Patientin besonders nachhaltig und tiefgreifend beeinträchtigen könne.
Wegen der unzureichenden Aufklärung habe die Klägerin – die bei ordnungsgemäßer Information eine andere Behandlung gewählt hätte – in den Eingriff nicht wirksam eingewilligt, was zur Haftung des Beklagten für die schädlichen Folgen der Behandlung führe.