LSG München: Unfall bei Skiausflug zur Kontaktpflege kein Arbeitsunfall

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Würzburg vom 20.10.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 01.02.2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der Kläger ist Geschäftsführer der K. GmbH & Co KG und bei der Beklagten freiwillig versichert. Er nahm in der Zeit vom 30.01. bis 03.02.2010 am W. Event 2010 in S. teil, welches von der Volksbank M. eG veranstaltet wurde. Nach Angaben der Veranstalterin war dies eine Kombination für Geschäftskunden zwischen Skivergnügen und Informationen zu aktuellen Finanzthemen. Gleichzeitig hätten die Teilnehmer die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, Netzwerke auszubauen und hochwertige Zeit mit potentiellen Kunden und Partnern in den schönsten Skiarenen Europas zu verbringen. Für den 01.02.2010 sah das Programm um 9.30 Uhr ein Ski-guiding in zwei Gruppen vor, ebenso um 13.30 Uhr. Ab 16.00 Uhr bestand Zeit zur freien Verfügung und ab 19.00 Uhr war ein Hüttenabend im „S.“ geplant. Unterkunft fanden die Teilnehmer der Reise im 4-Sterne-„Alpenhotel S.“ im Zentrum von S …

Am 01.02.2010 erlitt der Kläger gegen 10.30 Uhr einen Skiunfall und infolge dessen einen Riss des rechten Kreuzbandes. Nach Angaben des Klägers befand er sich in der Mittagspause.

Mit Bescheid vom 07.05.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den er unter anderem damit begründete, der Networking-Gedanke habe bei der gesamten Veranstaltung im Vordergrund gestanden. Deshalb sei es nicht möglich, das Veranstaltungsprogramm in betriebliche und private Tätigkeiten aufzuteilen. Das Skifahren habe somit der betrieblichen Tätigkeit gedient. Darüber hinaus habe sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg zum Mittagsessen mit potentiellen Geschäftspartnern befunden, bei dem Anbahnung und Vertiefung von Vertragsbeziehungen im Mittelpunkt standen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Versicherungsschutz im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VII) bestehe nur, wenn der betriebsbedingte und der eigenwirtschaftliche Anteil der Verrichtung der Tätigkeit untrennbar miteinander verbunden seien und die zum Unfallzeitpunkt ausgeführte Verrichtung wesentlich dem Betrieb gedient habe, was beim Skifahren nicht der Fall sei.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und Zeugen dafür benannt, dass er zum Mittagessen mit den Zeugen verabredet gewesen sei, um dabei Vertragsbeziehungen zu intensivieren und konkrete Projekte zu besprechen.

In der mündlichen Verhandlung am 20.10.2010 hat der Kläger u. a. angegeben, dass das besagte Mittagessen in der P.-Alm am K. hätte stattfinden sollen. Der Skiunfall habe sich im Übrigen am Z. bzw. am S. auf der ersten Abfahrt des Tages ereignet. Das SG hat die Zeugen vernommen, die bestätigt haben, dass sie mit dem Kläger zum Mittagessen verabredet waren. Der Kläger hat angegeben, dass die Zeugen nicht in der gleichen Gruppe an der Skiabfahrt teilgenommen haben, wie der Kläger.

Mit Urteil vom 20.10.2010 hat das SG die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.

In der nichtöffentlichen Verhandlung vom 07.10.2013 hat der Berichterstatter mit den Beteiligten erörtert, dass nach dem Internetauftritt der P.-Alm (http://www …) die P.-Alm direkt im K-Gebiet auf 1.650 Metern Seehöhe liegt und leicht vom Ortszentrum von S. zu Fuß (ca. 1 Stunde Gehzeit) oder mit der K. Gondelbahn zu erreichen ist. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass er zum ersten Mal in S. gewesen sei und keine Ortskenntnis gehabt habe. Insbesondere habe er nicht gewusst, wie die P.-Alm zu erreichen sei. Er hat bestätigt, dass die Zeugen nicht an der unfallbringenden Skiabfahrt teilgenommen haben. Zu der Frage, inwieweit die Teilnahme an der geführten Skiabfahrt betrieblichen Zwecken gedient habe, hat er ausgeführt: Er habe an der Veranstaltung nur deshalb teilgenommen, um Kontakte zu bereits bekannten Kunden zu pflegen und zu neuen Kunden aufzubauen. Er fahre eigentlich nicht gern Ski, auch wenn er bei dem Ereignis nicht zum ersten Mal Ski gefahren sei. Er sei eigentlich von der Ausbildung her Werkzeug- und Maschinenschlosser und habe nur durch sein großes Engagement und sein Geschick, Netzwerke zu bilden, sich eine Führungsposition in der Werbebranche erarbeitet. Für ihn sei es gar nicht in Frage gekommen, nicht an den Skiabfahrten teilzunehmen, denn wenn ein Gemeinschaftsgefühl mit den Kunden entstehen solle, gehe es nicht, dass er einem Teil der Veranstaltung fernbleibe. Für ihn sei daher die Skiabfahrt rein betrieblich veranlasst gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 20.10.2010 und den Bescheid vom 07.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2010 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 01.02.2010 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.10.2010 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Unfallakten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 07.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2010 (§ 95 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen, denn der Unfall vom 01.02.2010 hat sich nicht in Ausübung einer versicherten Tätigkeit ereignet.

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Vorliegend ergibt sich der Versicherungsschutz dem Grunde nach aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, wonach sich Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, auf schriftlichen Antrag versichern können. Damit sind alle Tätigkeiten versichert, die ihrer objektiven Handlungstendenz nach dem Unternehmenszweck dienen.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist es in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Für die Verrichtungen eines Unternehmers ist darüber hinaus entscheidend, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält. Weil der Unternehmer häufig nicht für sein eigenes Unternehmen, sondern auch handeln will, um Auftraggeber oder Kunden zufrieden zu stellen, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob die – zum Unfall führende – Tätigkeit in den Bereich des eigenen Unternehmens fällt. Maßgebend ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 24/01 R mwN).

In tatsächlicher Hinsicht stellt der Senat fest, dass der Kläger ab dem 30.01.2010 an einem von der Volksbank M. eG veranstalteten Event in S. teilgenommen hat, an dem insgesamt 17-20 Personen teilgenommen haben, um dort Ski zu fahren und gleichzeitig an Vortragsveranstaltungen zu Finanzthemen teilzunehmen und Kontakte untereinander zu knüpfen, wobei die Teilnehmer durchweg aus unterschiedlichen Unternehmen stammten. Aufgrund der Aussagen der beiden Zeugen P. B. und C. vor dem SG hat der Senat, ebenso wie die erstinstanzlichen Richter, die Überzeugung gewonnen, dass sich der Kläger mit den Zeugen am Unfalltag, dem 01.02.2010 zum gemeinsamen Mittagessen auf der P.-Alm verabredet hatte, um dort Geschäftliches zu besprechen. Der Unfall ist während der ersten (geführten) Skiabfahrt des Tages eingetreten, an der die Zeugen nicht teilgenommen haben. Im Programm war das Mittagessen, anders als für den 31.01.2010, nicht erwähnt. Vielmehr sollten um 09:30 Uhr und 13:30 Uhr jeweils in zwei Gruppen ein Skiguiding stattfinden, ab 16:00 Uhr stand Zeit zur freien Verfügung und für 19:00 Uhr war ein gemeinsamer Hüttenabend geplant.

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger aus der Motivation heraus, geschäftliche Kontakte zu pflegen, an dem Event teilgenommen hat. Hieraus folgt jedoch nicht, dass während der gesamten Dauer der Teilnahme Versicherungsschutz für jedwede Verrichtung bestanden hätte. Vielmehr ist hinsichtlich der konkreten schadenbringenden Tätigkeit, hier dem Skifahren, durch den Senat festzustellen, ob diese Tätigkeit nach ihrer objektiven Handlungstendenz betrieblichen oder eigenwirtschaftlichen Zielen gedient hat. Insoweit ist das Skifahren als einheitliche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz einzuordnen, denn die Verrichtung Skifahren ist nicht teilbar (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 2 U 14/10 R). Einerseits diente die Teilnahme nach den Angaben des Klägers der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und damit der Anbahnung oder Festigung geschäftlicher Kontakte, andererseits stellt Skifahren – außerhalb des professionellen Wettkampfsports – typischerweise eine sportliche Freizeitbetätigung dar, die aus eigenwirtschaftlichem Interesse unternommen wird. Diese Verrichtung diente indes nicht objektivierbar betrieblichen Zwecken.

Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG aaO juris Rn 24). Das ist nicht der Fall. Von außen erkennbar diente die Skiabfahrt allein dem Freizeitvergnügen. Geschäftliche Besprechungen fanden während der Skiabfahrt nicht statt. Dass eine Abfahrt sich hierfür schon aufgrund der erschwerten Kommunikation nicht eignet, wird dadurch unterstrichen, dass der Kläger sich hierfür zum Mittagessen verabredet hatte. Zwar mag es sein, dass die gemeinsame Abfahrt geeignet war, die Kontaktanbahnung mit den Teilnehmern an der konkreten Abfahrt zu erleichtern. Dieser geschäftliche Bezug ist aber nach außen hin nicht erkennbar und auch in keiner Weise objektivierbar. Ein geschäftlicher Bezug wird auch nicht dadurch hergestellt, dass der Kläger beabsichtigte, unter gemeinsamer Führung zur P.-Alm zu gelangen. Für einen Dienstweg wäre nämlich die Voraussetzung, dass der Dienstweg von einem Dienstort zum nächsten führen würde, was wiederum voraussetzen würde, die Skiabfahrt als Dienstgeschäft zu qualifizieren, was sie nicht ist. Auch ein Wegeunfall liegt nicht vor, da der Weg von dem auswärtigen „Alpenhotel S.“ zur P.-Alm zu Fuß (Aufstieg, nicht Abfahrt!) oder mit der K.-Gondelbahn vom Hotel zur P.-Alm führte, ohne dass hierfür eine Skiabfahrt erforderlich gewesen wäre. Die Skiabfahrt war deshalb jedenfalls ein nicht erforderlicher Umweg oder Abweg. Im Übrigen würde selbst bei teilweiser oder völliger Streckenidentität die private Handlungstendenz hierdurch nicht aufgehoben (BSG aaO juris Rn 29).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.