Haftung des Fahrers bei fehlender Aufmerksamkeit eines Fußgängers?
Kommt es zu einem Unfall weil ein Fußgänger auf der Straße nicht aufpasst, stellt sich die Frage nach der Haftung des Fahrers bei fehlender Aufmerksamkeit eines Fußgängers.
Der Fall:
Eine Motorradfahrerin fuhr mit leicht überhöhter Geschwindigkeit durch eine Ortschaft. Da fiel ihr eine Fußgängerin am linken Fahrbahnrand auf, die nach links und rechts blickte. Dann betrat die Fußgängerin die Fahrbahn und schritt zur anderen Seite.
Die Motorradfahrerin sah die Fußgängerin zwar, fuhr aber unbeirrt fort. Sie war nämlich davon ausgegangen, dass die Fußgängerin sie gesehen hatte. Schließlich hatte sie ja zuvor nach links und rechts geblickt. Dass sie trotzdem nicht gesehen worden war, weil die Fußgängerin dabei nicht ausreichend aufmerksam gewesen war, konnte sie nicht ahnen.
So war die Überraschung groß, als die Fußgängerin nicht, wie erwartet, in der Straßenmitte anhielt, um sie vorbeifahren zu lassen, sondern in aller Ruhe weitermarschierte. Um den Unfall da noch zu verhindern war es zu spät. Hätte die Bikerin gleich reagiert, hätte sie rechtzeitig anhalten können.
Die Versicherung der Bikerin wollte nicht zahlen. Schließlich hätte die Fußgängerin aufpassen müssen und die Straße erst betreten dürfen, als diese frei wurde. Hiergegen klagte die Fußgängerin. So stellte sich die Frage nach der Haftung des Fahrers bei fehlender Aufmerksamkeit eines Fußgängers.
Das Urteil:
Nachdem das Landgericht die Klage vollumfänglich zurückgewiesen hatte, legte die Fußgängerin die Sache dem Oberlandesgericht Hamm vor, wo es unter dem Aktenzeiche 6 U 2/16 geführt wurde. Hier konnte sie zumindest einen Teilerfolg feiern.
Zwar hat das OLG das LG soweit bestätigt, dass ein Fußgänger den Fahrzeugen Vorrang zu gewähren hat. Doch hat das OLG auch gesehen, dass die Bikerin zum einen zu schnell war und zum anderen einfach weitergefahren war als sie die Fußgängerin auf die Straße treten sah.
Zu diesem Zeitpunkt hätte sie erkennen müssen, dass das Ganze gefährlich werden könnte. Da wir uns in und auf unseren Gefährten mit Geschwindigkeiten fortbewegen bei denen sehr schnell dramatische Verletzungen und Schäden entstehen können, müssen wir auch auf potentielle, sich vielleicht noch entwickelnde Gefahren reagieren. Die Bikerin hätte daher soweit langsamer werden müssen, dass sie noch anhalten kann, wenn die Fußgängerin doch weiterläuft.
Dass sie das nicht gemacht hat begründet eine Mitschuld der Bikerin. Allerdings wog der Fehler der Fußgängerin für das Gericht doppelt so schwer. Daher hat es ihr nur ein Drittel der geforderten Summe zugesprochen. Die Frage nach einer Haftung des Fahrers bei fehlender Aufmerksamkeit eines Fußgängers ist daher nicht klar beantwortet. Es gibt sie zwar, aber nur zum Teil.
Ein Tipp:
Befindet sich in der Straße eine echte Verkehrsinsel ist ein solcher Fall wieder anders zu beurteilen.