Haftung bei Unfall während des Reisverschlussverfahrens
Haftung bei Unfall während des Reisverschlussverfahrens. Im Normalfall wird der Spurwechsler den Schaden tragen müssen
Der Fall:
Es ist eine wohl alltägliche Situation. Auf einer Autobahn kommt es zu einer Teilsperrung. Hier war es die dreispurige A 9 und die Sperrung betraf die linke und die mittlere Spur. Es hatte einen Unfall gegeben. Der Verkehr musste sich nun also die rechte Spur und den Standstreifen teilen. So kamen die Fahrzeuge peau á peau nach rechts rüber.
Darunter war auch ein Porsche 911 Carrera auf der mittleren Spur. Rechts neben ihm fuhr in LKW. Die Sperrung war schon so nahe, dass das Reisverschlusssystem zur Anwendung kam. Der Porschefahrer schob sich auf die rechte Spur als er anhalten musste, weil vor ihm nichts mehr weiter ging. Da fuhr der nun hinter ihm fahrende Lastwagen auf ihn auf.
Die Gesellschaft die den Porsche versichert hatte wollte 80% des Schadens an dem Auto von der anderen Versicherung ersetzt haben. Sie behauptete der Porschefahrer habe in den Rückspiegel und über die Schulter gesehen und den rechten Blinker gesetzt, also alles richtig gemacht.
Die LKW-Versicherung sah das ganz anders. So ein kleiner 911er sei aus der Fahrerkabine eines Lasters nicht zu sehen, wenn er direkt vor diesem fährt. Der Porschefahrer hätte das wissen müssen und hätte nicht so nah vor dem LKW einfädeln dürfen.
Die Entscheidung:
Die Sache wurde zunächst vom LG München II unter dem Aktenzeichen 1 O 3303/16 entschieden. Es gab der Klage der Porscheversicherung zu ca. 60% statt. Dabei sprach gegen den Kläger der sogenannte Anscheinsbeweis.
Hierbei sagt die Rechtsprechung hat sie von einem bestimmten Geschehensablauf schon so viele Fälle gehabt, dass man dem Gericht nur noch diesen Geschehensablauf beweisen muss. Von der Schuld der anderen Prozesspartei geht das Gericht dann aus, wenn diese Partei nicht besondere Umstände vorbringen kann. Bei Unfällen beim Spurwechsel ist meist der Wechsler schuld, weil er nicht richtig geguckt hat.
Spricht ein Anscheinsbeweis gegen einen bedeutet also nicht gleich, dass ein Prozess verloren ist. Gelingt es besondere Umstände vorzutragen und das Gericht davon zu überzeugen, dass der Unfallablauf ein bisschen anders war als beim Standardfall, dann ist die Vermutung erschüttert. Das LG hatte genau das angenommen.
Gegen das Urteil des LG ging die Beklagte in die Berufung zum OLG München. Das dortige Aktenzeichen war 10 U 456/16. Es hob das Urteil des LG auf und wies die Klage ganz ab. Der Porschefahrer konnte nämlich keine Angaben dazu machen wie lange er schon halb vor dem Laster war oder wie weit er vor dem LKW als er stehenbleiben musste. Klar war damit nur, dass er noch beim Spurwechsel war. Damit blieb es für das OLG beim 08/15 einer Spurwechselkollision.
Da das Urteil des OLG bei der Darstellung des Sachverhaltes auf das LG verweist, verlinken wir auf beide Urteile.