EuGH: Führerscheintourismus Führerschein für LKW setzt solchen für PKW voraus

In der Rechtssache C?590/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2010, in dem Verfahren

Wolfgang Köppl

gegen

Freistaat Bayern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten U. Lõhmus sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

Es läuft den Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission vom 14. September 2000 geänderten Fassung nicht zuwider, wenn ein Mitgliedstaat es ablehnt, Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat einer Person ausgestellt hat, gegen die der erste Mitgliedstaat zuvor Maßnahmen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie verhängt hatte, wenn die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B in dem zweiten Mitgliedstaat, wie sich aus den Eintragungen in dem entsprechenden Führerschein ergibt, unter Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Richtlinie vorgesehenen Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz erteilt wurde und die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C auf der Grundlage der ersten Fahrerlaubnis erteilt wurde, ohne dass sich die Nichtbeachtung der genannten Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz aus dem neuen Führerschein ergäbe, der gemäß dieser Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C ausgestellt wurde.

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission vom 14. September 2000 (ABl. L 237, S. 45) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Köppl, der deutscher Staatsangehöriger und im Besitz eines in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerscheins ist, und dem Freistaat Bayern über die Weigerung der deutschen Behörden, die Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C anzuerkennen, die Herrn Köppel in der Tschechischen Republik erteilt worden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3. Die erste Begründungserwägung der Richtlinie 91/439 lautet:

„Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.“

4. Nach dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 sind aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen.

5. Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 91/439 lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen den einzelstaatlichen Führerschein gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem EG-Muster in Anhang I oder Ia aus. …

(2) Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.“

6. In Art. 3 dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Der Führerschein nach Artikel 1 berechtigt zum Führen von Fahrzeugen folgender Klassen:

Klasse B:

– Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 kg und mit nicht mehr als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz; …

Klasse C:

– Kraftwagen – ausgenommen jene der Klasse D – mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3 500 kg; …

(2) Innerhalb der Klassen A, B, B + E, C, C + E, D und D + E kann für das Führen von Fahrzeugen folgender Unterklassen ein besonderer Führerschein ausgestellt werden …“

7. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der genannten Richtlinie lautet:

„(1) Die Ausstellung des Führerscheins unterliegt folgenden Bedingungen:

a) ein Führerschein für die Klassen C und D kann nur Fahrzeugführern ausgestellt werden, die bereits zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind …“

8. Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Ausstellung des Führerscheins hängt außerdem ab

b) vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten – im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats.“

9. Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 kann jede Person nur Inhaber eines einzigen Führerscheins sein.

10. Art. 8 Abs. 2 und 4 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„(2) Vorbehaltlich der Einhaltung des straf? und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.

(4) Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde.“

11. Gemäß Teil I Abschnitt A Punkt 1 Abs. 2 des Anhangs II der Richtlinie 91/439 kann jeder Bewerber um eine Fahrerlaubnis, der schon die Prüfung der Kenntnisse für eine Fahrerlaubnis in einer anderen Klasse erfolgreich abgelegt hat, von den unter den Punkten 2 bis 4 vorgesehenen gemeinsamen Bestimmungen befreit werden.

12. In Teil I Abschnitt A Punkt 2 des genannten Anhangs II ist der Inhalt der Prüfung der Kenntnisse für alle Fahrzeugklassen festgelegt. Die besonderen Bestimmungen für die Klassen A und A1 sind in Punkt 3 des genannten Abschnitts und die besondere Bestimmungen für die Klassen C, C + E, D, D + E, C1, C1 + E, D1, D1 + E in Punkt 4 dieses Abschnitts vorgesehen.

Nationales Recht

13. § 28 Abs. 1 und 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis?Verordnung) vom 18. August 1998 (BGBl. 1998 I S. 2214) in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung sieht vor:

„(1) Inhaber einer gültigen EU? oder EWR?Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz … in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. …

(4) Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber einer EU? oder EWR-Fahrerlaubnis,

2. die zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Student oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben,

3. denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14. Herr Köppl erwarb 1982 erstmals eine deutsche Fahrerlaubnis.

15. Zwischen 1988 und 1997 wurde Herr Köppl in Deutschland mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr und unerlaubten Entfernens vom Unfallort unter Entziehung der Fahrerlaubnis zu Geldstrafen verurteilt.

16. Am 3. Mai 1999 erwarb Herr Köppl in Deutschland eine Fahrerlaubnis. Diese Fahrerlaubnis wurde ihm in diesem Staat in der Folge entzogen, weil er sich am 14. Juni 2002 einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen schuldig gemacht hatte. Er wurde außerdem zu einer Geldstrafe verurteilt.

17. Im Rahmen eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland gelangte ein am 2. August 2004 erstelltes medizinisch?psychologisches Fahreignungsgutachten zu dem Ergebnis, es sei zu erwarten, dass Herr Köppl ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Aus diesem Gutachten ergab sich ferner, dass Herr Köppl aufgrund der im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangenen Straftaten die Anforderungen an das Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2 (d. h., gemäß Anhang III der Richtlinie 91/439 von Fahrzeugen der Klassen C, C + E, D, D + E und der Unterklassen C1, C1 + E, D1 und D1 + E) zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllt habe. Sein Antrag wurde daher abgelehnt.

18. Am 28. Oktober 2004 erwarb Herr Köppl in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klassen A und B. Die tschechischen Behörden stellten ihm am 29. Oktober 2004 einen entsprechenden Führerschein aus (im Folgenden: tschechischer Führerschein vom 29. Oktober 2004). In diesem Führerschein ist ein in Deutschland gelegener Wohnort eingetragen.

19. Am 30. Oktober 2008 wurde Herrn Köppl in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C erteilt. In dem Herrn Köppl am selben Tag ausgestellten entsprechenden neuen tschechischen Führerschein (im Folgenden: tschechischer Führerschein vom 30. Oktober 2008) sind ein in Tschechien gelegener Wohnort und das Datum der Erteilung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, der 28. Oktober 2004, eingetragen.

20. Herr Köppl leitete vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg ein Verfahren gegen den Freistaat Bayern ein, mit dem er die Anerkennung seiner Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C durch die deutschen Behörden erwirken wollte.

21. Mit Entscheidung vom 26. Oktober 2009 gab dieses Gericht seiner Klage statt; es war der Ansicht, dass der Freistaat Bayern verpflichtet sei, Herrn Köppl das Recht zuzuerkennen, in Deutschland von den in seinem tschechischen Führerschein vom 30. Oktober 2008 verzeichneten Fahrerlaubnissen für Fahrzeuge der Klassen B und C Gebrauch zu machen.

22. Um die Aufhebung dieses Urteils zu erreichen, legte der Freistaat Bayern beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Berufung ein. Herr Köppl machte vor diesem Gericht geltend, dass die ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C in Deutschland gültig seien.

23. Das vorlegende Gericht hat insbesondere Zweifel hinsichtlich der Frage, ob die Befugnis der deutschen Behörden, die Fahrerlaubnis von Herrn Köppl für Fahrzeuge der Klasse B aufgrund der Angabe eines in Deutschland gelegenen Wohnorts im tschechischen Führerschein vom 29. Oktober 2004 nicht anzuerkennen, entfallen ist, seit Herr Köppl eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C hinzuerworben hat.

24. Unter diesen Umständen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 – zumal im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – so auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat (dem „Aufnahmemitgliedstaat“) gestatten, eine Fahrerlaubnis der Klasse B nicht anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat (der „Ausstellermitgliedstaat“) unter aus dem Führerschein selbst ersichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 einer Person erteilt hat, gegenüber der der Aufnahmemitgliedstaat früher Maßnahmen im Sinn von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 ergriffen hat, wenn diese Person später im Ausstellermitgliedstaat eine Fahrerlaubnis der Klasse C ohne aus dem Führerschein ersichtlichen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erworben hat?

2. Kann es der Aufnahmemitgliedstaat bei Bejahung dieser Frage auch ablehnen, die dieser Person erteilte Fahrerlaubnis der Klasse C anzuerkennen?

Zu den Vorlagefragen

25. Der Gerichtshof kann nach Art. 104 § 3 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist und auf die betreffende Rechtsprechung verweist.

26. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass dies in der vorliegenden Rechtssache der Fall ist, da die Antworten auf die gestellten Fragen insbesondere aus dem Urteil vom 13. Oktober 2011, Apelt (C?224/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), in dem es um die Anerkennung eines Führerscheins für Fahrzeuge der Klassen B und D ging, klar abgeleitet werden können.

27. Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es den Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 – insbesondere im Hinblick auf die Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat es ablehnt, Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat einer Person ausgestellt hat, gegen die der erste Staat zuvor Maßnahmen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie verhängt hatte, wenn die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B in dem zweiten Mitgliedstaat, wie sich aus den Eintragungen in dem entsprechenden Führerschein ergibt, unter Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Richtlinie vorgesehenen Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz erteilt wurde und die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C auf der Grundlage der ersten Fahrerlaubnis erteilt wurde, ohne dass sich die Nichtbeachtung der genannten Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz aus dem Führerschein ergäbe, der gemäß dieser Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C ausgestellt wurde.

28. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 ein nach ihrem Art. 1 ausgestellter Führerschein zum Führen von Fahrzeugen verschiedener Klassen berechtigen kann. Innerhalb dieser Klassen kann nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie für das Führen von Fahrzeugen verschiedener Unterklassen ein besonderer Führerschein ausgestellt werden (Urteil Apelt, Randnr. 40).

29. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 berechtigt so ein Führerschein für Fahrzeuge der Klasse B zum Führen von Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 kg und mit nicht mehr als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz. Ein Führerschein für Fahrzeuge der Klasse C berechtigt dagegen zum Führen von Kraftwagen – ausgenommen jene der Klasse D – mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3 500 kg.

30. Es ist zunächst zu prüfen, ob die deutschen Behörden berechtigt waren, die Anerkennung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, die sich aus einem Führerschein wie dem tschechischen Führerschein vom 29. Oktober 2004 ergibt, abzulehnen.

31. Der in diesem Führerschein angegebene Wohnort liegt in Deutschland. Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 hängt die Ausstellung des Führerscheins jedoch u. a. vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten – im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats ab.

32. Die Nichtbeachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Voraussetzung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 kann es bereits für sich genommen rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ablehnt (Urteil Apelt, Randnr. 34).

33. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht nämlich hervor, dass die Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 Buchst. b sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 es einem Aufnahmemitgliedstaat nicht verwehren, es abzulehnen, in seinem Hoheitsgebiet den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein anzuerkennen, wenn aufgrund von Angaben in diesem Führerschein feststeht, dass die den ordentlichen Wohnsitz betreffende Voraussetzung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie nicht beachtet wurde (Urteile vom 19. Mai 2011, Grasser, C-184/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33, und Apelt, Randnr. 35).

34. Die deutschen Behörden konnten daher bis zur Erteilung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C an Herrn Köppl die Anerkennung der sich aus dem tschechischen Führerschein vom 29. Oktober 2004 ergebende Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B ablehnen.

35. Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob die spätere Erteilung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C, wenn sich die Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 vorgesehenen Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz nicht aus dem infolge dieser Erlaubnis ausgestellten neuen Führerschein ergibt, diese Befugnis der deutschen Behörden, die Anerkennung abzulehnen, in Frage stellen kann.

36. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich insoweit, dass das Datum der Herrn Köppl von den tschechischen Behörden erteilten Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, der 28. Oktber 2004, im tschechischen Führerschein vom 30. Oktober 2008 angegeben ist und dass die tschechischen Behörden sich somit darauf beschränkt haben, in diesem neuen Dokument außer den Informationen über die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C, die Herr Köppl am 30. Oktober 2008 erworben hat, Informationen über die Fahrerlaubnisse zu übernehmen, die Herr Köppl zu diesem Zeitpunkt besaß. Das vorlegende Gericht weist außerdem darauf hin, dass der in diesem Führerschein angegebene Wohnort von Herrn Köppl in der Tschechischen Republik liegt.

37. Herr Köppl ist der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat einen Führerschein für Fahrzeuge der Klasse B anerkennen muss, wenn sich die bei diesem Führerschein vorliegende Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 vorgesehenen Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz aus dem Führerschein, der dem Inhaber des erstgenannten Führerscheins anschließend nach dem Erwerb einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C ausgestellt wurde, nicht mehr ergibt.

38. Insbesondere berechtige ihn sein Führerschein der Klasse C auch zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B, da die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/439 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien.

39. Herr Köppl macht ferner einen Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie 2006/1226/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung) (ABl. L 403, S. 18) geltend, nach dem eine vor dem 19. Januar 2013 erteilte Fahrerlaubnis aufgrund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden darf.

40. Hierzu ist sogleich festzustellen, dass diese Bestimmung auf Sachverhalte wie den des Ausgangsverfahrens in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar ist. Gemäß Art. 16 Abs. 2 der genannten Richtlinie ist dieser Art. 13 nämlich erst ab dem 19. Januar 2013 anwendbar. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrerlaubnisse wurden jedoch 2004 und 2008 erteilt.

41. Zum weiteren Vorbringen von Herrn Köppl ist darauf hinzuweisen, dass aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/439 hervorgeht, dass ein Führerschein für Fahrzeuge der Klasse C, ebenso wie ein Führerschein für Fahrzeuge der Klasse D (vgl. in diesem Sinne Urteil Apelt, Randnr. 37), nur Fahrzeugführern ausgestellt werden kann, die bereits zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind.

42. Außerdem kann, wie in Randnr. 28 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt, nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 ein nach ihrem Art. 1 ausgestellter Führerschein zum Führen von Fahrzeugen verschiedener Klassen berechtigen. Innerhalb dieser Klassen kann nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie für das Führen von Fahrzeugen verschiedener Unterklassen ein besonderer Führerschein ausgestellt werden.

43. In Randnr. 42 des Urteils Apelt hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Einteilung in Klassen und Unterklassen es ermöglicht, die Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins auf die einzelne Klasse bzw. Unterklasse abzustimmen.

44. Genauer gesagt sieht die Richtlinie 91/439 in ihren Anhängen II und III einen gemeinsamen Grundstock an Mindestvoraussetzungen für alle Führerscheinklassen vor. Die Erteilung eines jeden Führerscheins hängt somit von der Erfüllung dieser Mindestvoraussetzungen ab. Dabei geht es beispielsweise darum, das Fahrzeug zu beherrschen, um keine gefährlichen Verkehrslagen zu verursachen und richtig zu reagieren, wenn solche Lagen eintreten, oder um die Kenntnis des Sicherheitsabstands zu anderen Fahrzeugen, des Bremswegs und der Bodenhaftung des betreffenden Fahrzeugs (Urteil Apelt, Randnr. 43).

45. Wie der Gerichtshof in Randnr. 44 des Urteils Apelt ausgeführt hat, gibt es über diese Mindestvoraussetzungen hinaus für jede Klasse und insbesondere die Klasse D besondere Prüfungen. Auch die Bewerber um einen Führerschein der Klasse C müssen besondere Prüfungen für diese Klasse ablegen.

46. Insofern ergibt sich aus Teil I Abschnitt A Punkt 1 Abs. 2 des Anhangs II der Richtlinie 91/439, dass jeder Bewerber um eine Fahrerlaubnis, der schon die Prüfung der Kenntnisse für eine Fahrerlaubnis in einer anderen Klasse erfolgreich abgelegt hat, von den Prüfungen der Kenntnisse hinsichtlich u. a. der Straßenverkehrsvorschriften befreit werden kann (Urteil Apelt, Randnr. 45).

47. In Randnr. 46 des Urteils Apelt, schließt der Gerichtshof aus diesen Erwägungen, dass sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik der Richtlinie 91/439 ergibt, dass der Führerschein für Fahrzeuge der Klasse B eine unabdingbare Grundlage für den Erhalt eines Führerscheins für Fahrzeuge der Klasse D darstellt.

48. Diese Schlussfolgerung ist auf Führerscheine für Fahrzeuge der Klasse C übertragbar, die, wie der Gerichtshof in Randnr. 29 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt hat, zum Führen von Kraftwagen – ausgenommen jene der Klasse D – mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3 500 kg berechtigen, während Führerscheine für Fahrzeuge der Klasse B zum Führen von Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 kg und mit nicht mehr als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz berechtigen.

49. Daraus ergibt sich, dass eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, die mit einer Unregelmäßigkeit behaftet ist, die ihre Nichtanerkennung rechtfertigt, keine geeignete Grundlage für den Erwerb einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C sein kann.

50. Es stünde daher im Widerspruch zu dem in den Erwägungsgründen 1 und 4 der Richtlinie 91/439 genannten Ziel der Sicherheit im Straßenverkehr, wenn es einem Aufnahmemitgliedstaat nicht erlaubt wäre, die Anerkennung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, die mit einer Unregelmäßigkeit behaftet ist, die deren Nichtanerkennung rechtfertigt, abzulehnen, weil dem Inhaber dieser Fahrerlaubnis in der Folge eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C erteilt wurde, die nicht mit dieser Unregelmäßigkeit behaftet ist. Aus denselben Gründen kann es einem Aufnahmemitgliedstaat auch nicht verwehrt sein, die Anerkennung einer solchen Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C abzulehnen, die auf der Grundlage einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B erteilt wurde, die mit einer Unregelmäßigkeit behaftet ist, die deren Nichtanerkennung rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Apelt, Randnr. 47).

51. Kann ein Mitgliedstaat es auf der Grundlage der Richtlinie 91/439 ablehnen, die Gültigkeit einer von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats erteilten Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B anzuerkennen, wird folglich nicht nur, wenn der Inhaber dieser Fahrerlaubnis in der Folge eine auf der Grundlage der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B erteilte Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C erhalten hat, diese Befugnis zur Ablehnung der Anerkennung nicht in Frage gestellt, sondern der erste Mitgliedstaat ist auch berechtigt, die Gültigkeit einer auf der Grundlage der fraglichen Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B ausgestellten Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C nicht anzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil Apelt, Randnr. 48).

52. Da im Ausgangsverfahren die Herrn Köppl von den tschechischen Behörden erteilte Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B mit einer Unregelmäßigkeit behaftet ist, die ihre Nichtanerkennung rechtfertigt – Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 genannten Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz, die sich aus den Angaben im tschechischen Führerschein vom 29. Oktober 2004 ergibt –, verwehren es Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie den deutschen Behörden nicht, die Anerkennung der Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C von Herrn Köppl abzulehnen, selbst wenn die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C diesem von den tschechischen Behörden zu einem späteren Zeitpunkt auf der Grundlage der für Fahrzeuge der Klasse B erteilten Fahrerlaubnis erteilt wurde, ohne dass sich die Nichtbeachtung der genannten Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz aus dem tschechischen Führerschein vom 30. Oktober 2008 ergäbe (vgl. in diesem Sinne Urteil Apelt, Randnr. 49).

53. Da die deutschen Behörden auf dieser Grundlage die Anerkennung der Herrn Köppl von den tschechischen Behörden erteilten Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C ablehnen konnte, braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zur Begründung dieser Befugnis herangezogen werden können.

54. Daher ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass es den Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 nicht zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat es ablehnt, Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat einer Person ausgestellt hat, gegen die der erste Mitgliedstaat zuvor Maßnahmen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie verhängt hatte, wenn die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B in dem zweiten Mitgliedstaat, wie sich aus den Eintragungen in dem entsprechenden Führerschein ergibt, unter Nichtbeachtung der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Richtlinie vorgesehenen Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz erteilt wurde und die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C auf der Grundlage der ersten Fahrerlaubnis erteilt wurde, ohne dass sich die Nichtbeachtung der genannten Voraussetzung betreffend den ordentlichen Wohnsitz aus dem neuen Führerschein ergäbe, der gemäß dieser Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C ausgestellt wurde.

Kosten

55. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.