BVerwG: Begrenzung der EEG-Umlage für selbständige Unternehmensteile nur bei Marktauftritt

Pressemitteilung

22.07.2015

Begrenzung der EEG-Umlage für selbständige Unternehmensteile nur bei Marktauftritt

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute in zwei Re­vi­si­ons­ver­fah­ren die Vor­aus­set­zun­gen prä­zi­siert, unter denen Un­ter­neh­men des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes die be­son­de­re Aus­gleichs­re­ge­lung nach dem Er­neu­er­ba­re-En­er­gi­en-Ge­setz (EEG) für strom­kos­ten­in­ten­si­ve selb­stän­di­ge Un­ter­neh­mens­tei­le (§ 41 Abs. 5 EEG 2009) zur Be­gren­zung der von ihnen zu zah­len­den EEG-Um­la­ge in An­spruch neh­men kön­nen.

Im Ver­fah­ren BVerwG 8 C 8.14 macht die Klä­ge­rin, ein Un­ter­neh­men der Mon­tan­in­dus­trie, für das Jahr 2011 die Be­gren­zung der EEG-Um­la­ge für ihren strom­in­ten­si­ven Un­ter­neh­mens­teil „Walz­be­reich Grob­blech (Blech­ta­fel­her­stel­lung)“ gel­tend. Die in die­sem Un­ter­neh­mens­be­reich her­ge­stell­ten Pro­duk­te (Grob­ble­che) wur­den im maß­geb­li­chen Ge­schäfts­jahr zu 100 % in an­de­ren Un­ter­neh­mens­be­rei­chen der Klä­ge­rin wei­ter be­ar­bei­tet, ehe sie am Ende der Wert­schöp­fungs­ket­te am Markt ver­kauft wur­den.

Im Ver­fah­ren BVerwG 8 C 7.14 be­an­sprucht die Klä­ge­rin für das Jahr 2012 eine Be­gren­zung der EEG-Um­la­ge für den ihrer An­sicht nach strom­in­ten­si­ven Un­ter­neh­mens­teil „Kunst­stoff – ohne Werk­zeug­bau“. In die­sem Un­ter­neh­mens­be­reich wur­den im maß­geb­li­chen Ge­schäfts­jahr Kunst­stoff­ver­pa­ckun­gen her­ge­stellt. In der eben­falls auf dem Werks­ge­län­de be­find­li­chen Un­ter­neh­mens­ab­tei­lung „Werk­zeug­bau“ wur­den u.a. die für die Her­stel­lung der Kunst­stoff­ver­pa­ckun­gen spe­zi­ell er­for­der­li­chen Werk­zeu­ge ge­fer­tigt. Die Strom­ver­sor­gung bei­der Be­rei­che er­folg­te über eine ge­mein­sa­me Ab­nah­me­stel­le. Zum Nach­weis der im Un­ter­neh­mens­be­reich „Kunst­stoff – ohne Werk­zeug­bau“ ver­brauch­ten Strom­men­ge hat die Klä­ge­rin eine Wirt­schafts­prü­fer­be­schei­ni­gung vor­ge­legt, der­zu­fol­ge die an den Be­reich „Werk­zeug­bau“ wei­ter­ge­ge­be­ne Strom­men­ge im Wege einer Hoch­rech­nung ge­schätzt wor­den ist.

Die Be­klag­te hatte durch ihr Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA) in bei­den Ver­fah­ren die An­trä­ge der Klä­ge­rin­nen mit der Be­grün­dung ab­ge­lehnt, es han­de­le sich bei dem je­weils in Rede ste­hen­den Un­ter­neh­mens­be­reich nicht um einen selb­stän­di­gen Un­ter­neh­mens­teil i.S.v. § 41 Abs. 5 EEG 2009. Die da­ge­gen ge­rich­te­ten Kla­gen hat­ten in bei­den Vor­in­stan­zen kei­nen Er­folg.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­sio­nen der Klä­ge­rin­nen zu­rück­ge­wie­sen. Es hat ent­schie­den, dass ein selb­stän­di­ger Un­ter­neh­mens­teil, für den nach § 41 Abs. 5 i.V.m. § 41 Abs. 1 bis 4 EEG 2009 unter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen eine Be­gren­zung der EEG-Um­la­ge ver­langt wer­den kann, nur dann vor­liegt, wenn in die­sem Un­ter­neh­mens­be­reich her­ge­stell­te Pro­duk­te am Markt plat­ziert wer­den. Das er­gibt sich ins­be­son­de­re aus dem Zweck der Be­gren­zung der EEG-Um­la­ge, die in­ter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit strom­in­ten­si­ver Un­ter­neh­men des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes  zu er­hal­ten, so­weit hier­durch die Ziele des Ge­set­zes nicht ge­fähr­det wer­den und die Be­gren­zung mit den In­ter­es­sen der Ge­samt­heit der Strom­ver­brau­cher ver­ein­bar ist. Ein ver­gleich­ba­rer (in­ter­na­tio­na­ler) Wett­be­werbs­druck und damit ein Be­dürf­nis für eine Be­gren­zung der EEG-Um­la­ge be­ste­hen nicht hin­sicht­lich eines Un­ter­neh­mens­teils, der ganz oder zu einem we­sent­li­chen Teil im ei­ge­nen Un­ter­neh­men wei­ter zu ver­ar­bei­ten­de Vor­pro­duk­te er­zeugt. Ein auf diese Weise in die Wert­schöp­fungs­ket­te des Un­ter­neh­mens in­te­grier­ter Un­ter­neh­mens­teil ist nicht selb­stän­dig i.S.d. § 41 Abs. 5 EEG 2009.

An der vom Ge­setz ver­lang­ten Selb­stän­dig­keit des Un­ter­neh­mens­teils fehlt es auch dann, wenn für die­sen Un­ter­neh­mens­be­reich keine Lei­tung vor­han­den ist, die über eine vom Un­ter­neh­men ab­grenz­ba­re ei­gen­stän­di­ge Kom­pe­tenz zu un­ter­neh­me­ri­schen und pla­ne­ri­schen Ent­schei­dun­gen ver­fügt.

In den von den Klä­ge­rin­nen an­ge­grif­fe­nen Ur­tei­len des Be­ru­fungs­ge­richts sind diese ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen teil­wei­se ver­kannt wor­den. Beide Ur­tei­le stel­len sich je­doch im Er­geb­nis aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar. Im Ver­fah­ren BVerwG 8 C 7.14 fehlt es für den Un­ter­neh­mens­teil „Kunst­stoff – ohne Werk­zeug­bau“  je­den­falls an einem zum maß­geb­li­chen Stich­tag vor­ge­leg­ten und ohne wei­te­re be­hörd­li­che Er­mitt­lun­gen über­prüf­ba­ren Nach­weis der selbst ver­brauch­ten Strom­men­ge. Für den Nach­weis be­darf es einer ge­si­cher­ten Tat­sa­chen­grund­la­ge. Eine Schät­zung ohne An­ga­be der Aus­gangs­da­ten und der Me­tho­dik reicht dazu nicht aus. Im Ver­fah­ren BVerwG 8 C 8.14 ist der Un­ter­neh­mens­be­reich „Walz­be­reich Grob­blech (Blech­ta­fel­her­stel­lung)“ be­reits des­halb kein selb­stän­di­ger Un­ter­neh­mens­teil, weil die hier her­ge­stell­ten Grob­ble­che nicht am Markt plat­ziert, son­dern aus­schließ­lich in der  Wert­schöp­fungs­ket­te des Un­ter­neh­mens wei­ter be­ar­bei­tet wur­den.

BVerwG 8 C 7.14 – Ur­teil vom 22. Juli 2015

Vor­in­stan­zen:
VGH Kas­sel 6 A 1999/13 – Ur­teil vom 09. Ja­nu­ar 2014
VG Frank­furt/Main 5 K 2071/12.F – Ur­teil vom 14. März 2013

BVerwG 8 C 8.14 – Ur­teil vom 22. Juli 2015

Vor­in­stan­zen:
VGH Kas­sel 6 A 71/13 – Ur­teil vom 09. Ja­nu­ar 2014
VG Frank­furt/Main 1 K 1540/12.F – Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2012

Ge­setz für den Vor­rang Er­neu­er­ba­rer En­er­gi­en

Er­neu­er­ba­re-En­er­gi­en-Ge­setz

[Fas­sung vom 25.10.2008 – gül­tig vom 1.1.2009 bis 31.12.2011]

§ 40 Grund­satz

(1)1 Das Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le be­grenzt auf An­trag für eine Ab­nah­me­stel­le den An­teil der Strom­men­ge nach § 37, der von Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men an Letzt­ver­brau­cher, die strom­in­ten­si­ve Un­ter­neh­men des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes mit hohem Strom­ver­brauch oder Schie­nen­bah­nen sind, wei­ter­ge­ge­ben wird . 2 Die Be­gren­zung er­folgt, um die Strom­kos­ten die­ser Un­ter­neh­men zu sen­ken und so ihre in­ter­na­tio­na­le und in­ter­mo­da­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit zu er­hal­ten, so­weit hier­durch die Ziele des Ge­set­zes nicht ge­fähr­det wer­den und die Be­gren­zung mit den In­ter­es­sen der Ge­samt­heit der Strom­ver­brau­cher ver­ein­bar ist.

(2) …

§ 41 Un­ter­neh­men des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes

(1) Bei einem Un­ter­neh­men des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes er­folgt die Be­gren­zung nur, so­weit es nach­weist, dass und in­wie­weit im letz­ten ab­ge­schlos­se­nen Ge­schäfts­jahr

1. der von einem Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men nach § 37 Abs. 1 be­zo­ge­ne und selbst ver­brauch­te Strom an einer Ab­nah­me­stel­le 10 Gi­ga­watt­stun­den über­stie­gen hat,

2. das Ver­hält­nis der Strom­kos­ten zur Brut­to­wert­schöp­fung des Un­ter­neh­mens nach der De­fi­ni­ti­on des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes, Fach­se­rie 4, Reihe 4.3, Wies­ba­den 2007*) , 15 Pro­zent über­schrit­ten hat,

3. die Strom­men­ge nach § 37 an­tei­lig an das Un­ter­neh­men wei­ter­ge­reicht und von die­sem selbst ver­braucht wor­den ist und

4. eine Zer­ti­fi­zie­rung er­folgt ist, mit der der En­er­gie­ver­brauch und die Po­ten­zia­le zur Ver­min­de­rung des En­er­gie­ver­brauchs er­ho­ben und be­wer­tet wor­den sind.

(2) 1 Die Vor­aus­set­zun­gen nach Ab­satz 1 Nr. 1 bis 3 sind durch die Strom­lie­fe­rungs­ver­trä­ge und die Strom­rech­nun­gen für das letz­te ab­ge­schlos­se­ne Ge­schäfts­jahr sowie der Be­schei­ni­gung einer Wirt­schafts­prü­fe­rin, eines Wirt­schafts­prü­fers, einer ver­ei­dig­ten Buch­prü­fe­rin oder eines ver­ei­dig­ten Buch­prü­fers auf Grund­la­ge des Jah­res­ab­schlus­ses für das letz­te ab­ge­schlos­se­ne Ge­schäfts­jahr nach­zu­wei­sen. 2 Die Vor­aus­set­zung nach Ab­satz 1 Nr. 4 ist durch die Be­schei­ni­gung der Zer­ti­fi­zie­rungs­stel­le nach­zu­wei­sen.

(2a) 1 Un­ter­neh­men, die nach dem 30. Juni des Vor­jah­res neu ge­grün­det wur­den, kön­nen ab­wei­chend von Ab­satz 1 Daten über ein Rumpf­ge­schäfts­jahr vor­le­gen. 2 Ab­satz 2 gilt ent­spre­chend. 3 Neu ge­grün­de­te Un­ter­neh­men sind nur sol­che, die nicht durch Um­wand­lung ent­stan­den sind. 4 Als Zeit­punkt der Neu­grün­dung gilt der Zeit­punkt, an dem erst­ma­lig Strom zu Pro­duk­ti­ons- oder Fahr­be­triebs­zwe­cken ab­ge­nom­men wird.

(3) 1 Für Un­ter­neh­men, deren Strom­be­zug im Sinne von Ab­satz 1 Nr. 1 unter 100 Gi­ga­watt­stun­den oder deren Ver­hält­nis der Strom­kos­ten zur Brut­to­wert­schöp­fung unter 20 Pro­zent lag, er­folgt die Be­gren­zung nach § 40 nur hin­sicht­lich des ge­sam­ten über 10 Pro­zent des im letz­ten ab­ge­schlos­se­nen Ge­schäfts­jahr an der be­tref­fen­den Ab­nah­me­stel­le be­zo­ge­nen und selbst ver­brauch­ten Stroms hin­aus; der Nach­weis ist in ent­spre­chen­der An­wen­dung des Ab­sat­zes 2 zu füh­ren. 2 Wird das Un­ter­neh­men im Be­güns­ti­gungs­zeit­raum von meh­re­ren Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men be­lie­fert, gilt die Be­gren­zung nach § 40 Abs. 2 für jedes die­ser Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men an­tei­lig gemäß dem Um­fang, in dem sie die­sen Letzt­ver­brau­cher an die­ser Ab­nah­me­stel­le be­lie­fern; das Un­ter­neh­men hat den Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men die für die An­teils­be­rech­nung er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung zu stel­len.

(4) Ab­nah­me­stel­le sind alle räum­lich zu­sam­men­hän­gen­den elek­tri­schen Ein­rich­tun­gen des Un­ter­neh­mens auf einem Be­triebs­ge­län­de, das über einen oder meh­re­re Ent­nah­me­punk­te mit dem Netz des Netz­be­trei­bers ver­bun­den ist.

(5) Die Ab­sät­ze 1 bis 4 gel­ten für selb­stän­di­ge Teile des Un­ter­neh­mens ent­spre­chend.