BGH: Pflicht des Anlageberaters zu Hinweis auf Veräußerbarkeit einer Anlage
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 44/06
Verkündet am:
- Mai 2007
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2007 durch die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr, Dr. Herrmann und Wöstmann
für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 18. Januar 2007 wird aufrechterhalten.
Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Revisionsrechtszugs bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht seines Bruders den Beklagten als Anlageberater auf Schadensersatz in Anspruch.
Im November 1993 nahm der Beklagte auf Empfehlung eines Bekannten des Zedenten mit diesem telefonisch Kontakt wegen einer zusätzlichen Altersvorsorge auf. Aufgrund der anschließend geführten Gespräche empfahl der Beklagte eine Beteiligung an der „N. „, einem geschlossenen Immobilienfonds. Der Zedent entschloss sich daraufhin zu einer Kommanditeinlage von 120.000 DM, die er neben Zahlung eines Agios absprachegemäß in Höhe von 60.000 DM erbrachte. 30.000 DM zahlte er aus Eigenmitteln. Die verbleibenden 30.000 DM finanzierte er durch ein Darlehen.
Ab Ende 1997 reduzierten sich die Einnahmen aus dem Fonds, da der Hauptpächter der Immobilie nicht mehr regelmäßig zahlte. Seit 1998 erfolgten keine Ausschüttungen mehr. Im Sommer 2004 forderte die Immobilienverwaltungsgesellschaft den Zedenten zu weiteren Zahlungen auf die Kommanditeinlage auf.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe den Zedenten falsch beraten. Hierzu hat er unter anderem behauptet, der Beklagte habe dem Zedenten auf entsprechende Nachfrage versichert, die Anteile an dem geschlossenen Immobilienfonds könnten jederzeit wie Aktien verkauft werden. Der Beklagte hat demgegenüber behauptet, die Frage der Handelbarkeit der Anteile an der Im-mobilien-KG sei überhaupt nicht erörtert worden.
Der Kläger hat mit seiner Klage verlangt, den Beklagten zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 29.905,93 € Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils des Zedenten an der Kommanditgesellschaft zu verurteilen und festzustellen, dass der Beklagte – ebenfalls Zug um Zug gegen Übertragung des Kommanditgesellschaftsanteils – verpflichtet sei, weitere Schäden zu ersetzen, und dass er sich mit der Annahme des Anteils in Verzug befinde. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision des Klägers gegen das Berufungsurteil zugelassen. In der mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2007, in der der Beklagte nicht vertreten gewesen ist, hat der Senat durch Versäumnisurteil (ZIP 2007, 636 ff) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegen das Versäumnisurteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil ist aufrechtzuerhalten (§ 555 Abs. 1, § 343 Satz 1 ZPO).
I.
In seinem Versäumnisurteil, das inhaltlich nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff), hat der Senat ausgeführt, auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sei ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen. Ein Anlageberater sei grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten, dem er zur Eingehung einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rate, darauf hin-zuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Marktes nur eingeschränkt möglich sei. Die praktisch fehlende Aussicht, eine Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Konditionen verkaufen zu können, sei ein Umstand, der für den durchschnittlichen Anleger bei seiner Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung sei. Die Bedingungen, zu denen ein Anleger auch auf langfristig festgelegtes Geld vorzeitig zurückgreifen könne, seien typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung. Dies gelte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch für Anlagen, die der Alterssicherung dienen sollten. Auch in diesen Fällen könne ein vorzeitiges Bedürfnis entstehen, die festgelegten Vermögenswerte liquide zu machen. Die Pflicht zur ungefragten Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität von Kommanditanteilen an geschlossenen Immobilienfonds könne allerdings entfallen, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Weiterveräußerung für den Anleger erkennbar ohne Belang sei. Hierfür seien im vorliegenden Fall jedoch, abgesehen von dem allein nicht durchgreifenden Aspekt des Altersvorsorgezwecks der Anlage, bislang keine Umstände ersichtlich.
II.
Die hiergegen mit dem Einspruch erhobenen Einwände des Beklagten sind nicht stichhaltig.
- Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Senats zu der Pflicht des Beklagten, den Zedenten über die mangelnde Fungibilität der – zunächst als Anteile an einer BGB-Gesellschaft erworbenen und sodann umgewandelten – Kommanditbeteiligung an einem offenen Immobilienfonds aufzuklären. Der Beklagte verweist darauf, dass ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt für die Anlageentscheidung des Zedenten die Aussicht auf die Minderung seiner Steuerlast gewesen sei. Die erwarteten Steuervorteile könnten jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann gesichert eintreten und dauerhaft Bestand haben, wenn der Anleger den Fondsanteil langfristig inne habe, weil die notwendige Absicht der Gewinnerzielung aus der Vermietung der Immobilie ansonsten in Frage stehe (BFHE 171, 45 ff; 192, 559 ff; NV 2006, 1637, 1638 f). Überdies könnten nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1998 (BFHE 187, 526 ff) bei vorzeitiger Veräußerung sogar steuerliche Nachteile entstehen, weil in der Person des Gesellschafters der – steuerpflichtige – Tatbestand des gewerblichen Grundstückshandels erfüllt sein könne.
- a) Diese Gesichtspunkte widersprechen der Senatsentscheidung nicht. Die Pflicht des Beklagten, über die mangelnde Handelbarkeit der Kommanditanteile an dem geschlossenen Immobilienfonds aufzuklären, entfiel nicht deshalb, weil die mit der Anlage in Aussicht genommenen Steuervorteile nur dann dauerhaft eintreten konnten, wenn der Zedent die erworbenen Anteile nicht vorzeitig weiterveräußerte. Insoweit gilt nichts anderes als hinsichtlich des Zwecks der Anlage, die Altersversorgung des Zedenten zu ergänzen. Auch wenn eine Anlage – gleichgültig, ob aus steuerlichen Gründen oder aufgrund ihrer Zweckbestimmung als Alterssicherung – nur dann wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn der Anleger sie langfristig behält, bleibt die Frage, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen sie vorzeitig verkauft werden kann, für den durchschnittlichen Anlageinteressenten von wesentlicher Bedeutung für seinen Entschluss, die Investition zu tätigen. Auch in den Fällen einer an sich auf Dauer ausgerichteten Anlage kann, wie der Interessent in der Regel in Rechnung stellt, ein vorzeitiges Bedürfnis entstehen, die festgelegten Vermögenswerte – wenn auch um den Preis des Wegfalls der steuerlichen und sonstigen erstrebten Vorteile der Anlage – liquide zu machen.
- b) Soweit der Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1998 (aaO) herausstellt, dass sich die Fungibilität des Kommanditanteils und die in Aussicht genommenen Steuervorteile auch deshalb ausschlössen, weil bei einer frühzeitigen Veräußerung der Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds in Person des ursprünglichen Anteilsinhabers die Voraussetzungen für einen – steuerpflichtigen – gewerblichen Grundstückshandel erfüllt sein können, ist dies sogar ein zusätzlicher Gesichtspunkt, der für die Pflicht des Anlageberaters spricht, den Interessenten über die Nachteile bei vorzeitiger Veräußerung seiner Anteile aufzuklären. Es bestehen hiernach nicht nur allenfalls geringe faktische Möglichkeiten, „gebrauchte Kommanditanteile“ an geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Bedingungen zu veräußern. Vielmehr läuft der Anleger selbst in dem Fall, dass dies ausnahmsweise gelingt, Gefahr, über mögliche Preisabschläge und den eventuellen Fortfall der bislang gezogenen steuerlichen Vorteile hinaus sogar weitere verlustbringende Steuernachteile zu erleiden. Auch dies ist ein Umstand, der für den Investitionsentschluss des durchschnittlichen Anlageinteressenten von erheblicher Bedeutung ist. Der Beklagte hätte – sofern die zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar sein sollte – den Zedenten deshalb, wie die Revisionserwiderung selbst nicht verkennt, auch unter diesem Gesichtspunkt aufklären müssen.
- Die Revisionserwiderung macht weiter geltend, eine Pflichtverletzung des Beklagten scheide auch deshalb aus, weil der Zedent die Möglichkeit gehabt habe, infolge der Steuerrückflüsse binnen kurzer Zeit wieder auf wesentliche Teile seines investierten Kapitals zugreifen zu können. Aus dem Berechnungsbogen (Anlage K 2) gehe hervor, dass dem Zedenten mehr als die Hälfte des eingesetzten Kapitals nach kurzer Zeit wieder zur Verfügung gestanden habe. Auch dieser Einwand rechtfertigt keine andere Beurteilung der Rechtslage als in dem Versäumnisurteil. Der Rückfluss von gut der Hälfte des eingesetzten Kapitals „binnen kurzer Zeit“ lässt die Aufklärungspflicht nicht entfallen. Dem Anleger steht immer noch ein beträchtlicher Anteil des investierten Geldes nicht kurzfristig zur Verfügung. Überdies hätte der Zedent auch nach dem Berechnungsbeispiel die Hälfte des eingesetzten Kapitals erst nach mehreren Jahren, mithin nicht in „kurzer Zeit“, zurückerhalten.
- Weiter führt der Beklagte an, der Zedent habe einer Aufklärung über die fehlende Fungibilität von Immobilienfondsanteilen nicht bedurft, da sie ihm bekannt gewesen sei. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Klageschrift, in der der Kläger ausgeführt hat, Verkaufsanzeigen oder Kaufgesuche für Immobilienfondsanteile gebe es nicht und habe es auch 1993 nicht gegeben. Dieser Passus ist jedoch so zu verstehen, dass der Kläger das objektive Fehlen eines Marktes für „gebrauchte Kommanditanteile“ an geschlossenen Immobilienfonds aus der ex post-Sicht vorgetragen hat, nicht aber, dass dem Zedenten dies zum Zeitpunkt seines Anlageentschlusses bekannt gewesen sei.
- Schließlich macht der Beklagte mit Blick auf das Verschulden geltend, erst aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 5. September 2000 (BFHE 192, 559 ff) und deren Veröffentlichung in der Presse habe ein Anlageberater auf die sich aus der Fungibilität eines Anteils am Immobilienfonds ergebende Vermutung, dass keine Einkunftserzielungsabsicht bestehe, aufmerksam werden können. Demzufolge könne ihm nicht vorgeworfen werden, wenn er den Zedenten im Jahre 1993 nicht auf die fehlende Handelbarkeit der KG-Anteile als Konsequenz der Erzielung der Steuervorteile hingewiesen habe. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um neuen Sachvortrag handelt, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann, ist anzumerken, dass diese Erwägung den Beklagten allenfalls von einer Aufklärungspflichtverletzung unter dem oben in Nummer 1 erörterten steuerrechtlichen Blickwinkel entlasten kann. Die Aufklärungspflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt, dass Kommanditanteile an geschlossenen Immobilienfonds überdies auch faktisch nicht oder jedenfalls nur sehr eingeschränkt veräußerbar sind, ist hiervon nicht betroffen.
Wurm Kapsa Dörr Herrmann Wöstmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 24.06.2005 – 15 O 25147/04 –
OLG München, Entscheidung vom 12.01.2006 – 23 U 4115/05 –