BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 128/08 Verkündet am 8. April 2009
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 556 Abs. 1, II. BVO § 27 Abs. 1, BGB § 307 Bb
Eine formularmäßige Vereinbarung in einem Wohnraummietvertrag, durch die ein Mieter anteilig mit Kosten für einen Aufzug belastet wird, mit dem seine Wohnung nicht erreicht werden kann, weil sich der Aufzug in einem anderen Gebäudeteil befindet, benachteiligt den Mieter unangemessen (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 20. September 2006 – VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557).
BGH, Urteil vom 8. April 2009 – VIII ZR 128/08 – LG Berlin-AG Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 11. März 2008 wird zurückgewiesen.Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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Die Beklagte ist seit 1991 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in B. . Der Formularmietvertrag der Parteien enthält folgende Regelungen:
„§ 3 Miete und Nebenkosten
…
Betriebskostenvorschuß gem. § 27 der II. BVO zur Zeit 95,– DM
Heizkostenvorauszahlung zur Zeit 140,– DM
…
…
…
2
Die Wohnung der Beklagten befindet sich im 4. Obergeschoss des hinteren Quergebäudes des Anwesens, das aus einem Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und diesem Quergebäude besteht. Im Vorderhaus ist ein Aufzug vorhanden, mit dem die Wohnungen im Quergebäude nicht erreicht werden können. Die Beklagte weigert sich deshalb, die in den Betriebskostenabrechnungen der Klägerin für die Jahre 2002 bis 2005 enthaltenen Aufzugskosten zu bezahlen. Ein sich nach Abzug der Aufzugskosten zu ihren Gunsten rechnerisch ergebendes Guthaben von insgesamt 304,16 € verrechnete sie mit der Miete; die sich zu ihren Lasten aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 ergebende Nachforderung von 29,51 € beglich sie nicht.
Mit der Klage macht die Klägerin unter anderem die wegen der Verrechnung rückständige Miete und den Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung 2004 in Höhe von insgesamt 333,67 € nebst Zinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
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Die Parteien hätten die Umlegung der Fahrstuhlkosten nicht vereinbart. Sie hätten zwar in § 3 Nr. 2 des Mietvertrags die Umlage der Betriebskosten im Sinne des § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung vorgesehen, also auch die Umlage von etwaigen Fahrstuhlkosten. Gemäß § 556a Abs. 1 BGB seien Betriebskosten auch nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen, wenn nichts anderes vereinbart sei. Aus der Bezeichnung der Wohnung im Mietvertrag mit „W. , Quergebäude“ lasse sich jedoch nicht ersehen, ob als maßgebliche Wirtschaftseinheit lediglich das Quergebäude oder sämtliche auf dem Grundstück W. befindlichen Gebäude gemeint sein sollten. Mangels ausdrücklicher Bezeichnung im Mietvertrag sei nur das konkrete Gebäude, in dem sich die Wohnung befinde, als diejenige Einheit anzusehen, für die die Parteien die Umlage der Betriebskosten vereinbart hätten. Danach dürfe die Klägerin hier nur die Betriebskosten des Quergebäudes umlegen.
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Auch wenn § 19 des Wohnungsförderungsgesetzes (gemeint wohl: § 19 Abs. 2 des Wohnraumförderungsgesetzes – WoFG – in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung) und § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung als Betriebskosten diejenigen Kosten definierten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück entstünden, werde auch dort hinsichtlich der übrigen Kosten auf das Gebäude abgestellt; der Gesetzgeber unterscheide zwischen Betriebskosten, die durch das Grundstück entstünden und hinsichtlich
derer eine Wirtschaftseinheit hinsichtlich sämtlicher auf dem Grundstück ste-hender Gebäude gebildet werden müsse, und gebäudebezogenen Betriebs-kosten. Das ergebe sich weiter aus § 24 Abs. 2 der NeubaumietenVO, wonach im öffentlich geförderten preisgebundenen Wohnungsbau der Vermieter (nur) den Erdgeschossmieter von den Kosten des Fahrstuhls freistellen könne. Da in einem Nachbargebäude wohnhafte Mieter noch weniger Nutzen vom Aufzug hätten, müsse der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass sie von vorn-herein keine Fahrstuhlkosten zu tragen hätten.
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Danach seien als Gebäude im Sinne von § 19 WoFG bei größeren Wohnanlagen grundsätzlich die Bauten mit jeweils eigenem Aufgang anzusehen. Ein Quergebäude in einem Berliner Altbau mit Hinterhöfen sei deshalb ein eigenständiges Gebäude in diesem Sinne. Der Vermieter dürfe zwar Wirtschaftseinheiten aus mehreren Gebäuden bilden, wenn dies sachdienlich sei. Voraussetzung sei jedoch dieselbe Bauweise und Ausstattung der zusammengefassten Gebäude, soweit sich diese Merkmale auf die geltend gemachten Betriebskosten auswirkten.
II.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV sind allerdings Betriebskosten alle Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Dazu gehören hier auch die Aufzugskosten, unabhängig davon, ob man das Quergebäude, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, – wie das Berufungsgericht – als selbständiges Gebäude betrachtet, das mit den übrigen Gebäuden auf dem Grundstück „W. “ lediglich eine Wirtschaftseinheit bildet, oder ob es sich dabei – wie die Revision geltend macht – um einen Teil eines einheitlichen Gebäudes handelt, das aus Vorderhaus, Seitenflügeln und Quergebäude besteht.
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b) Es ist jedoch anerkannt, dass an Kosten für Einrichtungen, die einzelnen Mieter zur alleinigen Nutzung überlassen sind, die „ausgeschlossenen“ Mieter nicht beteiligt werden dürfen (Senatsurteil vom 26. Mai 2004 – VIII ZR 135/03, WuM 2004, 399, unter II 2, für Gartenflächen; KG, GE 2005, 1424, 1425, für Heizungsanlagen; OLG Düsseldorf, DWW 2000, 54, für Aufzugsanlagen; MünchKommBGB/Schmid, 5. Aufl., § 556a Rdnr. 8; Ehlert, in: Bamberger/ Roth, 2. Aufl., § 556a Rdnr. 13). Wenn etwa ein Aufzug nur in eine Dachge-schosswohnung führt, hat folglich der Mieter dieser Wohnung die Aufzugskosten allein zu tragen (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556a BGB Rdnr. 101).
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Entsprechendes muss gelten, wenn der Aufzug nur einem Teil der Mieter eines Gebäudes oder einer Wirtschaftseinheit zur Verfügung steht. Auf die Mieter der übrigen Wohnungen, die durch den Aufzug nicht erschlossen werden in dem Sinne, dass von dem Aufzug aus kein Zugang zu den Wohnungen besteht, können Aufzugskosten deshalb nicht umgelegt werden (LG Berlin, GE 2005, 1489; Staudinger/Weitemeyer, BGB (2006), § 556a Rdnr. 26; Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 535 Rdnr. 89). So liegt der Fall hier. Die Wohnung der Beklagten ist nach den unangegriffen gebliebenen tatrichterlichen Feststellungen mit dem Aufzug, der sich im Vorderhaus befindet, nicht zu erreichen.
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c) Dadurch unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem Fall des Erdgeschossmieters, dessen Wohnung mit dem Aufzug erreicht werden kann, auch wenn er ihn wegen der Lage seiner Wohnung faktisch nicht nutzt. Für diesen Fall hat der Senat (Urteil vom 20. September 2006 – VIII ZR 103/06, NJW 2006, 3557, Tz. 12 ff.) ausgesprochen, dass der Erdgeschossmieter eine Beteiligung an den Aufzugskosten aufgrund eines einheitlichen, generalisierenden Maßstabs AGB-rechtlich hinzunehmen hat, weil es naheläge, andernfalls auch bei den Mietern der Wohnungen in den höher gelegenen Etagen nach dem Grad der tatsächlichen Nutzung zu differenzieren, der damit angestrebten möglichst weitgehenden Umlagegerechtigkeit aber Gründe der Praktikabilität und der Transparenz der Abrechnung entgegenstehen.
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Die Grenze der Zumutbarkeit einer generalisierenden Betrachtungsweise für den Mieter wird jedoch überschritten, wenn er einen Aufzug nicht nur tatsächlich nicht nutzt oder dafür kein Bedürfnis hat, sondern wenn seine Wohnung mit dem Aufzug überhaupt nicht erreicht werden kann. Ob etwas anderes gilt, wenn dem Mieter der Aufzug ungeachtet dessen jedenfalls zur Verfügung steht, um etwa einen seiner Wohnung zugewiesenen Keller oder eine Gemein-schaftseinrichtung zu erreichen (vgl. LG Berlin, GE 2007, 54), kann dahinstehen, weil dafür im vorliegenden Fall nach den tatrichterlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte bestehen.
Ball Dr. Frellesen Hermanns
Dr. Milger Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 01.03.2007 – 223 C 328/06 –
LG Berlin, Entscheidung vom 11.03.2008 – 65 S 111/07 –